Verliebt

von Isländer


Es war ein lauer Sommertag, als ich Ihn das erste Mal allein besuchte. Er war ein Pferd. Genauer: Ein Hengst. Und er war so schön wie ein Pferd nur sein konnte. Sein Name war Svadilfar, wie mir seine Noch-Besitzer sagten, und er sollte das erste Pferd werde, welches ich mir kaufte. Aber bei weitem nicht das Letzte, hatte ich doch so viel Freude an diesen edlen Tieren.

Tja, und das erste eigene Pferd sollte selbstverständlich etwas ganz besonderes sein. Und das war Svadilfar wirklich. Ein heller Falbe wie aus einem Märchen, mit beigem, fast gelbem Fell. Eine dichte, schwarze Mähne zog sich von tief in seiner Stirn bis an den Widerrist, verdünnte sich zu einem fingerbreiten Aalstrich und endete schließlich in einem buschigen, langen Schweif von ebenfalls kohlschwarzer Farbe. Seine Statur ließ auf häufiges Toben mit seinen Herdenfreunden schließen und er maß von der Sohle seiner Hufe bis zu den kräftigen Schultern exakt 147 Zentimeter. Besonders süß aber waren diese kleinen Extravaganzen an ihm, wie die vier schwarzen Söckchen an den Beinen oder die kaum zu erahnenden Sprenkler an den Hinterschenkeln, die zwar fast unsichtbar, aber dennoch da waren.

Er stand direkt vor mir und sah mich an, und der kluge Blick aus diesen hübschen Augen in dem ausdrucksstarken Gesicht brachte irgend etwas in mir zum Klingeln. Ein Gefühl entstand in mir, ein Gefühl wie ich es in diesem Ausmaß bisher noch nie erlebt hatte.. Es fühlte sich... merkwürdig an. Meine Hände zitterten, wurden feucht. Mein Herz raste. Meinen Ohren schienen zu glühen und in meinem Kopf machte sich ein Gefühl breit, als ob ich betrunken wäre. Und die ganze Zeit starrte ich ihn an, starrte in seine Augen, die meinen Blick gelassen, vielleicht ein wenig spöttisch erwiderten.

Ich kriegte einen Schreck. Verständlich, dachte ich seinerzeit, ich war ja drauf und dran mich in ein Pferd zu Verlieben. Und das mir! Ich, der doch noch nie eine Frau auch nur im Ansatz gel...

STOP!

Da war ein Fehler in meiner Argumentation, ich spürte es. Dass ich nie eine Frau - oder einen Mann - wirklich geliebt hatte, konnte ja nur bedeuten, dass... In dem Punkt warf ich den Gedanken über Bord und konzentrierte mich lieber auf Svadilfar, den süßen Schnuckel vor mir. Ich war verwirrt, brauchte einen klaren Kopf, musste weg von hier... aber ich konnte einfach nicht.

Dieser kleine Götterhengst hatte mich gefesselt, mich an meinem Platz gehalten, ich konnte, wollte gar nicht mehr weg. Ich setzte mich auf einen der Weidezaunpfähle und verwöhnte Svadilfar mit zärtlichem Kraulen und Streicheln. Und die ganzen Zeit über strömte dieses Gefühl durch meine Adern, welches wohl Liebe sein musste. Ich erlebte alles viel intensiver, viel klarer als vorher. Die Sonne auf meiner Haut, den Geruch der Wiese, das Summen der Insekten im benachbarten Blumenfeld und diesen unvergleichlichen, lieblichen, aromatischen und belebenden Duft, der von Svadilfar ausging.

Die ganze Welt schien in rosa Dunst gehüllt zu sein, und als Svadilfar mir noch einmal direkt in die Augen sah, konnte ich ihn nicht mehr nur streicheln. Mein Blick verlor sich in den tiefen, braunen Augen, und obwohl ich genau wusste, dass das nicht sein konte glaubte ich, das gleiche verliebte Funkeln in seinen Augen zu sehen, welches auch in mir strahlte. Fast ohne mein Zutun legte sich meine Hand unter sein Kinn, und während ich seinen Kopf sanft nach oben drückte beugte ich mich zu seinen Lippen herunter. Der kleine Teil von mir, der noch klar denken konnte, rannte im Kreis und rief mit lauter Stimme, dass es Wahnsinn sei. Dass ich zur Vernunft kommen solle. Doch als meine Lippen auf diese samtigen, zarten und hinreißenden Pferdelippen trafen trat meine Liebe zu Svadilfar aus dem Schatten. Sie stellte der Vernunft ein Bein, verpasste Ihr eine gerade Linke und zerrte sie dann gefesselt und geknebelt in eine dunkle Ecke. Damit war der Fall klar...

Ich blieb noch lange bei ihm, an ihn gekuschelt, kraulend, verliebt. Erst als die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand und es kühler wurde, löste ich mich von seinem duftenden Körper und trat den Heimweg an, immer noch total berauscht.

Gott, ich LIEBTE dieses Pferd!