Tier und ZOO und Würde

Der Versuch einer Annäherung

Von Michael Kiok


Die Würde des Tieres wird verletzt durch eine sexuelle Beziehung mit einem Menschen.

 

So das neueste Argument der Gegner. Ein neues Konzept, das es Wert ist, näher durchleuchtet zu werden.

 

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Was für ein Hohn. Afrika, CIA, Turbo-Kapitalismus, Hartz IV, Bananenrepubliken in allen Teilen der Welt, Ausbeutung, Korruption, Seilschaften, alle oben blicken herab auf die unten.

 

Die Zeitachse. Die Sozialisierung. Der Blickwinkel.

Kinderarbeit verstößt gegen die Menschenwürde.

Im Mittelalter war die Kindheit mit 7 vorbei. In Mangelgesellschaften ist es überlebenswichtig, daß Kinder arbeiten. Haben von Menschenwürde noch nie etwas gehört. 

Der/die Alte, den die Eskimos zurücklassen, dem sicheren Tod aussetzen, wenn er nicht mehr arbeiten kann. Menschenwürde?

Der/die Alte, den die Neger in Afrika vor den Kral tragen, wenn er/sie stirbt, und der dann natürlich von wilden Tieren zerfetzt wird. Menschenwürde?

***  

Ich lebe im Mittelalter, bin 7 und soll zum ersten Mal bei der Ernte helfen. Die Nachbarskinder aus dem Dorf machen das auch. Wir binden Garben. Die Hände tun uns allen weh und bluten. Ich bin müde. Alles tut mir weh. Mein Vater lobt mich. Ich schlafe selig ein.

 

Ich knüpfe Teppiche in Ostpakistan. Jeden Tag, so lange es hell ist. Mein Geld schicke ich meinen Eltern, sie konnten nichts ernten, das Haus hat die Flut weggerissen, alle haben Hunger. Ich bekomme hier morgens und abends etwas zu essen und schlafe mit den Anderen in einem Verschlag neben der Fabrik. Es ist trocken, ich bin oft satt, manchmal möchte ich nach Hause, aber die Familie braucht mein Geld. Ich bin wichtig.

 

[Selbe Situation], bis „etwas zu essen“ – eine Stunde am Tag lernen wir lesen und schreiben aber der Vorarbeiter säuft, und dann schreit er uns an, behauptet, wir wären faul, würden Fehler machen, dabei arbeiten wir so schnell und so genau, wie wir können. Wut. Enttäuschung. Angst vor der Willkür. Wir sind Sklaven. Wir können nicht weg. Wir sind gefangen.

 

Ich bin alt. Viele Jahre lang habe ich Kinder bekommen und ernährt, mein Mann war ein guter Jäger, als ich alt wurde, haben die Kinder von mir die alten Geschichten gehört, die jungen Frauen fragen mich um Rat – ich bin hochgeehrt, ich bin weise, aber langsam werde ich müde, und bin krank. Mein Leben ist eine Last, ich spüre, meine Zeit kommt. Man trägt mich nach draußen. Der Schnee bedeckt mich, alle Last fällt von mir ab, ich schlafe ein.

 

Ich hüte meine Herde. Einige Hyänen wollen angreifen. Ich will sie verjagen, stolpere, zwei erwischen mich und reißen mir Stücke aus Brust und Arm, bevor mich andere Hirten retten. Der Medizinmann tut sein Möglichstes, aber ein böser Geist ist in meinem Körper und hat ihn von innen angezündet. Mein Arm wird schwarz und stinkt. Ich werde sterben. Der Stamm verabschiedet sich von mir. Sie tragen mich nach draußen. Bald werde ich bei den Ahnen sein. Diese Nacht werden die Hyänen die Herde nicht bedrohen.

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Soweit eine Annäherung.

 

Was lernen wir daraus?

Würde ist keine Konstante.

Würde ist ein individuelles Gefühl.

Würde hat etwas mit sozialen Beziehungen zu tun.

 

Menschenwürde ist das, was verletzt wird, wenn man die Situation eines Anderen sieht, in der man die eigene Würde verletzt fühlen würde, wäre man an seiner Stelle. Man überträgt das eigene Gefühl auf einen Anderen. Das ist zumindest eine Verallgemeinerung.

 

Die nichts über das Gefühl desjenigen aussagt, dem wir unsere Sicht überstülpen. Heutzutage funktioniert das zwar meistens, weil sich Begriffe westlicher Kultur weltweit durchsetzen bzw. alle anderen Kulturen niederwalzen. Im eigenen Kulturkreis funktioniert es fast immer. Aber alles, was über das Individuum hinausgeht, ist und bleibt eine Verallgemeinerung.

 

So lange dieses Gefühl nicht durch Beobachtung des konkreten Einzelfalls untermauert wird oder sich als unzutreffend erweist, bleibt es eine Spekulation.

 

Was die Tiere angeht, kommt erschwerend hinzu, daß man sie nicht verbal fragen kann, andererseits machen sie auch keine Falschaussagen. Wer ein wenig beobachten kann, sieht einem Tier an, ob es sich wohlfühlt oder nicht. Wer ein wenig sensibel ist, spürt es.

 

Die Würde des Tieres ist das, was Menschen meinen, wie sich Tiere fühlen könnten, wäre der Mensch an der Stelle des Tieres. Jedes Engagement in diese Richtung in Ehren, aber so lange gerade die Protagonisten dieses Konzepts nicht einen großen Teil ihres Lebens mit Tieren einer bestimmten Spezies zusammengelebt haben (und zwar in deren Kultur, nicht als Tierhalter), daß sie wissen, was in der Kultur [hier verstanden als die Summe der Regeln einer Gemeinschaft oder Spezies. Oder einer Gemeinschaft innerhalb einer Spezies] dieser Spezies als angemessen, anständig und liebenswert gilt, und das traue ich weltweit bestenfalls ein paar Handvoll Menschen zu, bleiben allgemeingültige Aussagen zu diesem Thema so spekulativ wie die Wettervorhersage für den nächsten Sommer.

 

Menschenrechte sind dagegen zwar pure Konvention, aber immerhin etwas Konkretes und als Ideal sinnvoll. Auch wenn sich einer, der Macht hat, im Zweifelsfall nicht viel drum schert. Tierrechte gibt es nicht als anerkanntes Regelwerk, aber sie wären wünschenswert. Jedes Tier sollte das Recht auf Leben haben. Auch das ist heute noch der blanke Hohn.

 

Jene, die sexuelle Beziehungen zwischen Menschen und Tieren per Gesetz verbieten wollen, tapezieren das Dachgeschoß eines Hauses, von dem noch nicht einmal das Fundament steht.

 

Konkret: Wenn Tier und Mensch Sex haben, ist das deren Sache, so lange es für die Beteiligten in diesem Moment in Ordnung ist.

 

Körperliche Schäden sieht der Tierarzt, und sie werden hoffentlich juristisch verfolgt. Schäden an der Seele, so sie auftreten, erkennt der qualifizierte Verhaltensforscher. Die verfolgt bislang keiner,  das wäre aber nötig und sinnvoll. Jeder auch nur etwas sensible Mensch spürt, wenn etwas in der Beziehung eines ihm vertrauten Mensch/Tier-Gespanns nicht stimmt.

 

Für den konkreten Fall gibt es bereits Normen.

 

Die Würde eines Tieres jedoch ist ein noch fragwürdigeres Konzept als die Würde eines Menschen. Schon, weil Tiere im Hier und Jetzt leben und sich keine allgemeingültigen philosophischen Gedanken machen.

 

Die Frage muß erlaubt sein, was die Motivation jener ist, die aufgrund eines doch sehr nebulösen Konzepts, wie es die Würde des Tieres ist, in das Leben von Mensch und Tier eingreifen wollen.

 

Bestenfalls haben sie nicht nachgedacht.