Heilung der Toten

Eine Scout-Story in Equine's World Juli '96


Eins

Ich vertraue dir, Cloud.

(Ich weiß)

Es ist wirklich nicht mehr wie es war, in meinem Kopf. Ich empfange nicht soviele Details, aber wir können unsere Gefühle über Dinge, über uns, immer noch ausdrücken. Ich empfange Gefühle, keine Worte.

Ich denke an mein Vertrauen in sie, und ich glaube sie fühlt, daß ich ihr vertraue. Auf dieselbe Weise fühle ich, daß sie es weiß.

Unser Band ist nicht ganz unterbrochen, trotz ihres Todes. Die Techs sagten, es sei unmöglich, ich bräuchte etwas psychiatrische Hilfe. Aber sie ist es.

Ich hörte Leute hinter meinem Rücken flüstern, ihre Stimmen klangen betroffen. Sie glauben, ich kann mich noch immer nicht mit Ihrem Tod abfinden. Aber ich kann es; Ich spüre sie jetzt, und das Gefühl das sie mir schickt ist, daß sie tot ist, und daß sie mich noch immer liebt.

(Ich liebe dich)

Ich kann es fühlen.

Es sind jetzt sechs Wochen seit ich sprang, seit ich versuchte es alles zu beenden. Ich hatte meine Höhen und Tiefen. Ja, es waren einige angespannte Wochen, eine seltsame Zeit.

Es ist noch nicht vorbei. Oh nein, nichts ist jemals wirklich vorbei.

Besonders Liebe.

(Besonders Liebe)

Oh ja, ich kann es fühlen.

Obwohl ich vermisse was gewesen ist, hoffe ich dies endet niemals. Ich könnte keine andere Stute lieben. Es wird immer so bleiben bis ich ihr nachfolge.

(Du bist voller Liebe)

Ich spüre immer stärker, daß Cloud an ihren Vater denkt.

(Traurigkeit)

Ich verstehe es einfach nicht. Ich verstehe nicht.

(Ich sorge mich um dich)

Ich fühle ihre Traurigkeit, ihren Vater, ihre Traurigkeit. Ich verstehe nicht. Ich werde ihn suchen. Ich weiß nicht was ich tun kann, ich kann mit ihm nicht wirklich in Verbindung treten, er war nie verbunden. Ich werde gehen und ihn trotzdem suchen.

(Mein Erzeuger..)


Zwei

Ich glaube ich habe ihn endlich gefunden. Ich stehe inmitten von Farn am Rand dieser schönen, ruhigen Lichtung. Helle Sonnenstrahlen scheinen durch die hohen Bäume. Ein Bach plätschert sanft durch die Blumenwiese. Leuchtend blaue Ausschnitte des Frühlingshimmels zeigen sich durch das Laubdach.

(Mein Vater!)

Kastanienbraun und weiß, steht er da, neben dem Gewässer.

Er hat den Kopf gesenkt, aber er grast nicht. Er ist wirklich eine stattliche Erscheinung, aber sein Alter ist offensichtlich. Er sieht nachdenklich aus.

Da ist keine Herde, keine Stuten, nur er.

Als ich aus dem Laubwerk heraustrete, spitzt er die Ohren. Er schaut zu mir herüber.

("Was ist das?")

Was? Ich fühle sie wieder in meinem Geist, aber es ist nicht sie. Ich meine es ist als wäre sie....

("Ein Mensch, aber warum?")

Ja. Es ist als würde Cloud seine Gedanken an mich weitergeben.

(Das Band, mein Geliebter, das Band)

Kann ich ihm etwas zurückschicken? Ich nehme eine demütige Haltung ein, ich denke demütige Gedanken.

Ich bin keine Bedrohung.

("Keine Gefahr")

Ja, es funktioniert. Aber was soll ich jetzt tun? Ich komme näher.

Ich denke an Cloud, an unsere Liebe, unser gemeinsames Leben als Scouts.

("Cloud, meine Tochter. Er war mit Cloud zusammen.")

Mensch, das ist phantastisch, aber er wundert sich nicht, ist er nicht ein bißchen überrascht von alldem?

(Meine Mutter, Liebe, Tod)

Ich verstehe nicht. Was soll ich tun. Ich nähere mich ihm. Er kommt mir entgegen, beschnuppert mich.

Er zeigt mir Anerkennung durch seine Körpersprache.... eine freundliche, aber vorsichtige Begrüßung.

(Ich liebe dich, die Seele, meine Mutter, die Seele, mein Vater)

Ich... nein, ich habe keine Idee. Vielleicht bin ich hier um ihm zu sagen, daß seine Tochter tot ist.

Hmm, 'Mein Vater, Traurigkeit, die Seele', ja, vielleicht ist es das.

Ich blicke in seine Augen. Ich krümme mich für einen Augenblick, bin gezwungen mich an meinen eigenen Kummer zu erinnern. Ich denke an Cloud, an ihren Tod, ein Leid.

Nach einem Moment richtet er sich auf, seine Augen weiten sich. Eine Welle von Traurigkeit trifft mich.

Solcher Kummer. Er scheint fast Tränen zurückzuhalten als er ganz langsam blinzelt und seinen Blick wieder zu Boden richtet.

("Zuneigung, Hoffnungslosigkeit")

Unsere Gefühle des Verlusts, dieses Hengsts und meine, unsere Gefühle scheinen eins zu werden.

Ich glaube ich verstehe.

Cloud's Mutter, seine Stute ist auch tot. Aber wie Cloud ist sie noch immer mit ihrem Geliebten verbunden.

Ich denke vielleicht ist dies immer geschehen; mit Cloud's Mutter, ihrer Großmutter, und all jenen vor ihr.

Ein Geschenk.

Nein... ein Fluch.

Und plötzlich erkenne ich was dieser Fluch bedeutet:

Kummer verbindet sie. Wir klammern uns fest, ihr Vater und ich. Wir lassen nicht los. Ich hatte gedacht ich hättte es verkraftet. Ich hatte wirklich gedacht daß alles in Ordnung wäre. Cloud und ich, meine un-tote Stute, zusammen bis in alle Ewigkeit.

Nein. Das ist nicht wie es sein sollte. Ich muß loslassen. Ich muß weitermachen. Und auch er.

Ich gehe zu ihm, lege meine Arme um seinen Hals und denke: "Wir müssen sie loslassen. Wir mögen sie lieben und wir werden dies niemals vergessen, aber das ist nicht richtig.. Wir müssen sie loslassen."

("Ja, das müssen wir")

Der schwache Wohlgeruch meiner Liebe umgibt mich, und auch der von einer weiteren. Ich spüre ihre Wärme in meiner Nähe für ein letztes Mal. Da scheint fast ein schwaches, aber reines Glühen zu sein, die nebelhafte silhouette zweier weißer Stuten, die am Rand der Lichtung stehen.

(Ich liebe dich)

Und dann... es ist verschwunden.

In diesem Augenblick ist unser Kummer endlich vorbei.
 


© Dobbin, Juli 96

Translation by Caballingus